Einführung
Über 75 Jahre erfolgreich tätig sein im Weinhandel ist mehr als nur Geschichte. Das traditionelle Selzacher Familienunternehmen hat in diesem Dreiviertel-Jahrhundert auch viele Geschichten geschrieben. Mit dem Ziehkarren ging August Hugi vor 75 Jahren von Kunde zu Kunde und lieferte den Wein aus. Das erste (richtige) Transportmittel kam erst viel später. Auch die erste automatische Abfüllanlage, die dem Firmengründer seine Arbeit um einiges erleichterte, liess lange auf sich warten. Und Jahrzehnte später, nachdem das Familienunternehmen zu einem stolzen Betrieb gewachsen war, ging es Schlag auf Schlag: Um- und Neubau, die Eröffnung eines Geschäfts in der Kantonshauptstadt und der stetige Ausbau von Leistung und Angebot.
Eine Geschichte mit vielen Geschichten
Die Beschaffung des geeigneten Transportmittels war vor über 70 Jahren keine einfache Angelegenheit. So zog August Hugi nach der Firmengründung 1926 mit 60 bis 110 Liter Weinfässern auf einem Leiterkarren zwar nicht gleich durch die Lande, aber immerhin auch bis nach Lommiswil, um vorwiegend Bauern mit dem edlen gegorenen Traubensaft zu versorgen. Schnell einmal erwies sich das erste Gefährt aber nicht mehr als allzu prakti-kabel. Es war ohne Seitenwange und ab und zu stürzte ein Fass vom Karren. So wurde der "Fuhrpark" an der Kirchgasse mit einem nunmehr mit Seitenstütze ausgestatteten Anhänger erweitert. Und noch leichter ging es dann ans Werk, als Emil Hugi, der Bruder des Firmeninhabers, ein Motorrad mit Seitenwagen organisierte. Karl Hugi schmunzelt: "Am Hauenstein versagte unser erstes Motorrad erstmals seinen Dienst."
Vor gut 70 Jahren ging alles noch ein bisschen gemächlicher. Die Weinlieferung erfolgte nicht nur franko Domizil, sondern die Fässer wurden vom Firmenchef auch gleich selbst in den Keller gestellt. Keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt, dass diese mit einem Inhalt von bis zu 110 Litern ganz gehörig in Arme und Beine gehen konnten. Schon damals wusste man zwar, dass die Lagerung in Eichenfässern nur beschränkt möglich war, es gab aber vorderhand keine andere Möglichkeit. So kam es auch mal vor, dass ein geringer Restinhalt zu währ-schaftem Weinessig vergorte...
Als Bub musste dann Karl Hugi an schulfreien Nachmittagen die leeren Fässer wieder bei der Kundschaft einsammeln. 1942, während des Zweiten Weltkriegs, beschaffte sich das Selzacher Unternehmen den ersten Lastwagen. "Ein Lastwagen musste mindestens 3,5 Tonnen wiegen, damit es vom Bund Benzincoupons gab", erklärt Karl Hugi. Und der spätere Firmen-inhaber hat auch einige Bussen gefasst: "Ich fuhr schon mit 16 mit diesem Vehikel herum. Das passte der Polizei natürlich nicht."
Eine Weinkellerei ohne Keller? – Das kann nicht sein
Die 1926 gegründete Weinkellerei Hugi hatte sich in kurzer Zeit als erfolgreiches Unternehmen etabliert. Das weiss auch Karl Hugi zu bestätigen: "Mein Vater war ein guter Verkäufer. Der Weinausstoss wurde immer besser." Es musste dringend eine Einkellerungsmöglichkeit her. 1931 wurde eine dreietappige Bau-phase in Angriff genommen. Das bestehende Wohnhaus wurde durch eine neue Gebäulichkeit ergänzt und der ganze Komplex in der Folge grossräumig unterkellert. Das damalige Weinsortiment ist schnell aufgezählt: Frankreich, insbesondere Be-aujolaisweine, Waadtländer und Walliser erfreuten sich in der näheren und weiteren Region besonderer Beliebtheit.
Der vorhandene Camion wurde von Sohn Karl, der 1944 im Geschäft einstieg, genutzt um auf abenteuerlichen Fahrten den Wein direkt in Frankreich abzuholen. Er erinnert sich: "Am Morgen fuhr ich in Selzach mit dem Camion los und kam am späteren Nachmittag in Frankreich an, wo die Holzfässer (4000 Liter pro Fuhr) mittels einer Handpumpe mit Wein aufgefüllt wurden." Karl Hugi legte sich dann für ein paar Stunden aufs Ohr, wurde um 2 Uhr morgens vom Gastwirt geweckt und mit einer Stärkung in Form eines Marc auf die Rückreise geschickt. Ziel war, vor 7.30 Uhr am Zoll zu sein, sagt Karl Hugi. Und da lief natürlich auch nicht immer alles nach Plan. "Einmal mehr", erinnert sich der frühere Geschäftsführer, "setzte sich ein Zöllner auf die Ladefläche und wollte 'Musterflaschen' abfüllen. Er merkte nicht, dass ich die Erlaubnis zum Weiterfahren bekam, so nahm ich den 'blinden Passagier' eben mit. Trotz heftigem Reklamierens hielt ich den Lastwagen erst nach etwa drei Kilometern und liess den verdutzten Zöllner den Rückweg per pedes antreten." Dem Vernehmen nach soll nie mehr ein Grenzbeamter ähnliches gemacht haben...
Wurde in den Anfängen der Wein der einfacheren Qualitätsstufe (Offenweinqualität) hauptsächlich in Fässern ausgeliefert, stieg bald die Nachfrage an kleineren Gebinden wie der Literflasche, welche von Hand abgefüllt und verzapft wurde.
Die zunehmende Nachfrage überstieg dann irgendwann die Arbeitskapazität und im Hause Hugi wurde ernsthaft über die Anschaffung einer automatischen Abfüllanlage diskutiert. Geschäftsmann August Hugi wurde in Italien fündig und erstand sich beim Produzenten Bertolaso die dringend benötigte Maschinerie. Eine elektrisch betriebene Abfüllanlage, die sich als robust und einfach in der Handhabung erwies. 1958 wurde der Betrieb mit ihr aufgenommen und bei Bedarf 700 bis 800 Flaschen pro Stunde gefüllt, verzapft und etikettiert. Das Waschen der leeren Flaschen musste allerdings nach wie vor von Hand gemacht werden.Brauchte es in den ersten Jahren grösstenteils Literflaschen mit Korkzapfen, so begann der Bedarf an 7-dl-Flaschen ständig zu steigen. Selbstverständlich wurde zu dieser Zeit auf die 7-dl-Flaschen ein Pfand erhoben – wurden sie doch nach Rückgabe gewaschen und neu abgefüllt.
Auszug einer Rechnung vom 23.12.1954:
Pfand: .... Lt. Flaschen retour oder -.40 .... 7/10 Flaschen -.20
Fässer und Kisten sind raschmöglichst in tadellosem Zustand franko Selzach zu retournieren.
1966 folgte der nächste Schritt zur maschinellen Abfüllung, als eine Flaschenputzmaschine zugelegt wurde, welche bis 1000 Flaschen bei einer Behandlungsdauer von 7 Minuten je Flasche waschen konnte. Mit der Einführung einer neuen Flaschen-grösse, der 50-cl-Flasche, tauchte bald einmal auch ein neuer Verschluss, der Kronenkorken (auch "Deckeli" genannt), auf. Bis 1975 war die erste automatische Abfüllanlage eine überaus zuverlässige und treue "Helferin" in der Weinkellerei Hugi.
Im 1931 in drei Etappen gebauten Geschäftshaus wurde es langsam eng. "Wir müssen aufstocken", sagte sich der damalige Geschäftsführer Karl Hugi und er-zählte sein Vorhaben auch einem Geschäftskollegen. "Der sagte mir damals: 'Du bist ein "Chnorz". Die Weinkellerei Hugi braucht einen Neubau und kein Flickwerk.'" Karl Hugi hatte sich ursprünglich vorgestellt, das bestehende Gebäude auf- und auszubauen. Es kam anders, stand doch gleich gegenüber der Wohn- und Geschäftsliegenschaft brach liegendes Land zur Verfügung. So entstand 1972 ein moderner, heute noch zweckdienlicher Elementbau mit grosszügiger Laderampe und Zufahrtsmöglichkeiten von allen Seiten. Ausserdem integrierte man damals zwei Garagenplätze für die beiden Fahrzeuge. Karl Hugi erinnert sich stolz an die damalige Bauzeit zurück und gibt dem Gebäude "einen sehr guten K-Wert". Auch die Frage, ob das neue Hauptgebäude unterkellert werden sollte oder nicht, war schnell beantwortet. Man opferte den geplanten "Weinkeller" und beschloss ein grösseres Gebäude mit einer Nutzfläche von letztlich 600 m2 zu erstellen. Die Landreserve gehörte aber nicht dem Selzacher Unternehmen und musste deshalb zuerst erworben werden. "Zudem waren vor Baubeginn noch zwei Wegrechte zu regeln." 3 Jahre lang wurde im neuen Gebäude noch mit der alten Anlage abgefüllt, ehe 1975 eine neue, moderne Abfüllanlage installiert wurde, die sämtliche Flaschengrössen verarbeiten konnte.
Die Weinkellerei Hugi war von Anbeginn in Selzach ein qualitätsorientiertes und in der Gemeinde verankertes Unternehmen. Ein Domizilwechsel war auch deshalb nie eine Frage. Trotzdem liebäugelte die Firmenleitung mit einer Verkaufsfiliale in der Stadt Solothurn. Schliesslich hatte sich die Kundschaft längst auf die nähere und weitere Region ausgedehnt.
Beliebte Tradition
Eine jährliche Aktivität zeichnet die Weinkellerei Hugi ganz besonders aus: Die traditionellen Weintage. Seit 1975, jeweils im Spätherbst, präsentiert das Selzacher Unternehmen in besonderer Umgebung und einem speziellen Ambiente sein reichhaltiges Sortiment aus allen bekannten Weinregionen dieser Welt. Die Idee wurde an verschiedenen Besuchen der "Vinifera" geboren. Karl Hugi war immer fasziniert von der "Vinifera", die auf Schiffen auf dem Bielersee stattfand. "Wir fassten ein ähnliches Konzept ins Auge", sagt Karl Hugi. Und was lag da näher als der Anlegesteg in Altreu. Um abzuklären, ob in der Region Solothurn eine solcher spezieller Anlass überhaupt gefragt ist, wurde in der Krone Solothurn zu einem Probelauf gestartet. Mit Erfolg und Karl Hugi sagte sich damals: "Ich riskiere es." 1975 wurde das Aareschiff "Stadt Solothurn" gemietet; ab 1985 waren bereits zwei Schiffe nötig, so dass auch die "MS Büren" zum Weinschiff wurde. Das Gesetz machte dann der Weinkellerei Hugi fast einen Strich durch die Rechnung. Hugi: "Eine alte Verfügung zum Schutz des städtischen Gewerbes sah vor, dass ein 'fremder' Gewerbetreibender für den Erhalt einer Genehmigung mindestens zehn Mitaussteler mitberücksichtigen muss." Das war letztlich der Grund, dass die Weinkellerei Hugi mit ihren Weintagen nach Büren dislozieren musste und dort bis 1998 auf der MS Siesta ihr Angebot präsentierte.
Inzwischen zog es das Solothurner Unternehmen wieder in den Kanton zurück. Ab 1999 fanden die traditionellen Weintage im Schloss Waldegg in Feldbrunnen statt. "Dies wurde von der Kundschaft ebenfalls sehr gut aufgenommen", sagt der heutige Geschäftsführer Heinz Hugi. Danach fand die Weinausstellung einige Jahre in Solothurn statt um nun wieder nach Selzach zurückzukehren, wo man seit 2007 die Weintage im schönen Ambiente des barrica prima Kellers durchführt.
14 Jahre nach der Eröffnung der Filiale in der Stadt Solothurn, beschloss die Weinkellerei Hugi auch in Selzach eine grössere Verkaufsmöglichkeit einzurichten. Um dem damaligen Kundenanspruch Mitte der neunziger Jahre gerecht zu werden, wurde im neuen Hauptgebäude ein sogenannter Getränkemarkt eingerichtet. Die ehemaligen Garageräumlichkeiten wurden vollständig umgebaut und zu einem geräumigen Ladenlokal eingerichtet. Eigentlich wollte Hugi 1995 in eine neue Abfüllanlage investieren. Zwischenzeitlich hatten sich aber immer mehr Firmen auf das Abfüllen von Weinen spezialisiert, was in diesem Bereich folgedessen zu einer Überkapazität führte. So beschloss die Geschäftsleitung, den Betrieb der eigenen Abfüllanlage einzu-stellen und als zusätzliche Kunden-dienstleistung in Selzach ein Verkaufsgeschäft einzurichten. Das Angebot wurde in der Folge stetig ausgebaut. Neben dem überaus reichhaltigen Weinsortiment verkaufte Hugi Spirituosen verschiedenster Provenienzen und wurde auch der zunehmenden Nachfrage an Malt-Whiskys, Grappa und Cognac gerecht. Das Jubiläumsjahr will die Selzacher Weinkellerei nun auch dazu nutzen, die beiden Verkaufsmöglichkeiten neu zu positionieren und mit der Umbenennung zum "Vinocave" den hohen Anspruch - Qualitätsweine zu reelen Preisen – noch besser zu betonen. "Das Angebot werden wir aber nicht redimensionieren", betont der heutige Geschäftsführer. Die Kunden werden auch weiterhin von einer reichhaltigen Produktepalette, vom Wein, deren Zubehörartikel, Spirituosen, über Getränken aller Art bis hin zu exklusiven Delikatessen im Foodbereich profitieren können.
Veränderungen
Nicht nur die Weinkellerei Hugi hat sich in den vergangenen 80 Jahren immer wieder verändert. Auch der Weinkonsum und das Angebot machte eine ähnlich grosse Entwicklung mit.
Wie beim nördlichen Nachbarn Deutschland, dem Bierland schlechthin, wurde der Pro-Kopf-Konsum bei den Alkoholikas auch in der Schweiz vom Gerstensaft do-miniert. 1966 wurden beispielsweise in unserem Land statistisch gesehen 77,2 Liter Bier konsumiert. Demgegenüber standen "nur" 38,9 Liter Wein-Pro-Kopf-Konsum. Vor zwei Jahren, so meldet die Eidgenössische Alkoholverwaltung, betrug der Weinkonsum pro Kopf 43,6 Liter, und beim Bier 58,6 Liter. Letzterer sank seit 1976 stetig, während sich der Wert beim Weinkonsum nach einem Höchststand (1988: 49,9 Liter) bei 43 bis 46 Liter einpendelte.
Gründe dafür sind sicher beim in den letzten zwanzig Jahren stark erweiterten Angebot zu suchen. Neben den traditionellen Anbauländern wie Frankreich, Italien oder Spanien sind mit der Zeit auch die "neuen Weinländer" (u.a. Australien, USA, Südafrika) hinzugekommen. Das wirkte sich entsprechend auf den Qualitäts-anspruch der Kundschaft aus. Noch vor dieser Zeit wurde vermehrt Schweizer Wein getrunken. Auch die Einkaufsgewohnheiten in der Gastronomie haben sich verändert. Es war früher üblich, dass Wirte ein bis zwei Mal pro Jahr Wein einkauften – und nicht selten gleich in grossen Mengen. Auch die Auswahl der Sorten beschränkte sich oft auf fünf bis sechs Weine. Heute ist die Vielfalt der angebotenen Weine um ein Vielfaches gestiegen und der Gastronom führt eine abwechslungsreiche Karte von edlen, vergorenen Rebensäften. Ausserdem fahren die Lieferwagen heute die Restaurants und Hotels häufiger an um dem auch saisonal bedingten, unterschiedlichen Bedarf gerecht zu werden. Einen Namen hat sich die Weinkellerei Hugi in den letzten Jahren als Spezialist für Weine aus dem Valpolicella, insbesondere dem Amarone erworben. Wir führen das schweizweit grösste Sortiment.
Auch wir haben uns dem Zeitgeist angepasst und so pflegen wir seit Herbst 2012 einen Onlineshop (E-Shop). Im Frühjar 2014 stand unser Bauprojekt an, die Erweiterung des bestehenden Lagergebäudes mit Verkaufsraum. Im Parterre entstehen ein neuer Gewölbekeller mit Raum für Fassabfüllungen, im 1. Stock wird es Seminar-, Lounge-, Präsentations- und Degustationsräume geben.
Im Oktober 2019 ging unsere neue Homepage mit einem neuen E-Shop und kundenfreundlichem Login online.